„Aigre-Doux“ – eine Französisch-Lektüre gegen Rassismus

« Tu viens d’où ? C’est quoi, ton origine ? » (Woher kommst du? Was hast du für Wurzeln?)

Eine Frage während eines unbeschwerten Treffens von Jugendlichen im Park löst große Wut beim Erzählenden aus. Er*Sie fühlt sich außen vor und auf sein Äußeres und seine Herkunft reduziert und sein*e Freund*in springt ihm*ihr nicht zur Seite. In einem inneren Monolog verarbeitet das lyrische Ich die Erfahrung der Ausgrenzung und reflektiert über das eigene Verhältnis zur Identität und Herkunft.

„Haltung zeigen“ ist das diesjährige Motto der Internationalen Wochen gegen Rassismus vom 14. bis 27. März. Aus diesem Anlass las die Klasse 9c im Französischunterricht das Werk „Aigre Doux“ (Süß-sauer) von Wilfried N’Sondé, einem französischen Autor, der sowohl in Paris als auch in Berlin über 20 Jahre lang lebte und persönlich erfahren hat, wie schmerzhaft es sein kann, fortwährend auf seine Hautfarbe und/oder sein Geburtsland Kongo angesprochen zu werden. Seiner Identität mit all ihren Facetten wird das in keinster Weise gerecht:

„Je suis un bloc, composé.e d’une mosaïque.“ (p. 40) (Ich bin ein Block, bestehend aus einem Mosaik)

Ausgehend von dieser Metapher zeichneten die Schüler*innen im Unterricht ein Bild mit all den größeren und kleineren Mosaiksteinchen, die ihre Persönlichkeit ausmachen. Selbstverständlich spielt auch die Herkunft, d.h. das Land/die Region, die Familie, die Sprache, eine Rolle, aber sie bestimmt nicht zwingend die eigene Identität. Menschen gehen selbstbestimmt ihren Interessen nach und entwickeln ihre individuelle Persönlichkeit und werden so zu Architekten ihrer Identität.

Das Buch, das letztes Jahr von deutschen Gymnasiasten als bestes französisches Jugendbuch ausgezeichnet wurde (Prix des Lycéens allemands 2020/2021), sensibilisiert dafür, wie schmerzhaft eine solche Frage im konkreten Einzelfall sein kann, selbst wenn sie ohne böse Absicht oder aus Neugier oder Interesse, aber im falschen Moment oder im falschen Tonfall gestellt wird. Und es regt zum Nachdenken und Diskutieren an, wie einige Auszüge aus den Journaux de lecture („Lesetagebücher“ mit Reflexionsaufgaben zu Textstellen) der Klasse zeigen:

« La question ‘Tu viens d‘ou ?’ ne me blesse pas mais je comprends que cela peut blesser d’autres personnes. »

« Tout le monde veut vivre en paix, non ? Ça ne sert à rien de chercher les différences. Les différences nous rendent uniques et c’est fantastique comme ça. »

« C’est un livre pour la jeunesse qui lutte contre les préjugés. Il y a un garçon qui en a marre, parce qu’on le réduit toujours à sa couleur de peau. Personnellement, je pense que ça dépend comment on pose la question. Si on pose la question gentiment, c’est bien et n’est pas raciste, mais si on pose la question ironiquement, c’est raciste. Ce livre est un appel à la diversité ! »

« Chaque personne est unique et on ne peut pas juger ses qualités à cause de son origine. Alors je me demande pourquoi il y a toujours des clichés et des préjugés sur notre terre. Pourquoi est-ce qu’on ne peut pas surmonter les vieilles frontières et vivre ensemble sans préjugé est racisme ? »