Deutsch-französisches Interview mit einem ehemaligen Verfassungsrichter

Interview franco-allemand avec l’ancien juge constitutionnel Dr. Otto Seidl

Die Schülerinnen des AbiBac-Oberstufenkurs konnten ihre Fragen an den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Dr. Otto Seidl stellen, dem Großvater einer Mitschülerin, und übertrugen seine Antworten für die Schüler*innen der Partnerschule in Saverne ins Französische.

Foto: CC wikimedia

Les élèves du cours AbiBac pouvaient poser leurs questions à l’ancien juge constitutionnel Dr. Otto Seidl, le grand-père d’une camarade de classe, et ont traduit ses réponses en français pour que leurs corres à Saverne puissent en profiter.

1. Wenn Sie nochmal vor der Wahl stünden, würden Sie sich erneut für diesen Berufsweg entscheiden?

Ja, auf jeden Fall! Das gilt sowohl für den Gesamtberuf als auch für die spätere Berufung als Bundesverfassungsrichter. Zu Beginn des Studiums macht man sich dazu aber noch nicht viele Gedanken.

1. Si vous pouviez revenir sur votre décision, choisiriez-vous de nouveau cette carrière professionnelle ?

Oui, sans aucun doute ! J’ai toujours aimé mon métier et aussi le travail comme juge de la Cour constitutionnelle fédérale. Mais au début des études, on ne s’imagine pas devenir juge constitutionnel !

2. Werden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von einem Richter alleine getroffen?

Nein, das gibt es beim Bundesverfassungsgericht überhaupt nicht.
Es gibt in den niedrigeren Instanzen Einzelrichter, zum Beispiel bei den Amtsgerichten entscheidet der Amtsrichter in zivilrechtlichen Sachen allein. Das Strafrecht ist dann schon wieder komplizierter, dann kommen Schöffen dazu usw., aber man kann auch dem Einzelrichter Befugnisse übertragen.

Im Bundesverfassungsgericht hat jeder Senat 8 Mitglieder, die beschlussfähig sind, wenn mindestens 6 Richter mitwirken können. Es kommt schon mal vor, dass manche Richter krank werden oder aus sonstigen Gründen ausfallen. Wenn es weniger als 6 Richter sind, dann muss man für eine Vertretung sorgen.
Wenn noch Informationen fehlen oder man noch jemanden befragen muss, dann kann es sein, dass ein Richter einen Ermittlungsauftrag bekommt. Meist ist das der Berichterstatter, der auch das Votum vorbereiten muss. Aber dieser kann nichts allein entscheiden.
Die Senate können zur Entlastung einzelne Kammern bilden, die aus drei Richtern bestehen. Diese können dann offensichtlich unbegründete Verfassungsbeschwerden ablehnen. Allerdings einstimmig, damit nicht einfach leichtfertig Beschlüsse gefasst werden. Übrigens sind die Lösungen selten besonders umstritten. Bei den Verfassungsbeschwerden ist die Erfolgsquote, also dass die Verfassungsbeschwerde durchgreift, zu meiner Zeit höchstens 2% gewesen, und das wird heute nicht viel anders sein.

Die Hürden sind hoch, 98% der Verfassungsbeschwerden haben keinen Erfolg. Die Leute stellen sich die Macht des Verfassungsgerichts viel umfangreicher vor. Die sagen dann, ich gehe nach Karlsruhe und die richten das schon. Doch das Bundesverfassungsgericht kann nur bei Verfassungsmängeln einschreiten, nicht bei Rechtsverstößen einfacher Art, das ist nicht seine Aufgabe.

2. Est-ce que dans la cour constitutionnelle fédérale un juge peut décider seul ?

Non, pas du tout. Aux niveaux inférieurs, c’est souvent un seul juge qui décide sur certains cas en toute indépendance.

Mais dans la cour constitutionnelle fédérale, chaque Sénat a 8 juges qui prennent leurs décisions ensemble. S’il y a moins de 6 juges, on doit remplacer ceux.celles qui ne sont pas présent.e.s.

S’il manque des informations, les juges doivent faire des enquêtes. Les rapporteurs peuvent aussi voter, mais pas décider seuls.

Les plaintes constitutionnelles peuvent également être rejetées mais chaque juge doit être d’accord. D’ailleurs, les solutions sont rarement controversées. Le taux de réussite, c’est-à-dire que le recours constitutionnel a été adopté, n’était pas supérieur à 2% à mon époque, et ce n’est pas très différent aujourd’hui. Il y a beaucoup de gens qui surestiment le rôle de la Cour constitutionnelle fédérale. Ils disent « J’irai à Karlsruhe et ils vont décider pour moi ». Mais ce n’est pas si facile car la compétence de la Cour constitutionnelle se limite à des infractions contre la Loi fondamentale et pas à n’importe quelle affaire juridique.

3. Was genau machen die Senate?

Einer der beiden Schwerpunkte ist der Schutz der Bürger. So ist der erste Senat zuständig, wenn die Grundrechte der Bürger durch ein Gesetz oder eine andere staatliche Maßnahme beschnitten werden.

Der andere Schwerpunkt, also die Aufgabe des zweiten Senates, beschäftigt sich mit der öffentlichen Verwaltung und ihren Kompetenzen. so entscheidet er beispielsweise über die Zuständigkeit von Bund und Ländern.

Also wenn sich öffentliche Organe gegenseitig in den Haaren liegen, ist es Aufgabe des zweiten Senates, diese Differenzen zu klären.

Von diesen Grundsätzen kann allerdings abgewichen werden, wenn ein Senat arbeitsmäßig überlastet wird. Dann können Zuständigkeiten teilweise auf den anderen Senat übergehen.  So funktioniert das in der Praxis ganz gut.

3. Comment organise-t-on le travail des Sénats ?

Le premier Sénat s’occupe plutôt des droits des citoyens et le second Sénat règle des conflits de compétences entre les organes de l’État. Mais quand un Sénat a trop de travail, l’autre Sénat peut aider.

4. Spezialisiert man sich als Verfassungsrichter auf bestimmte Rechtsgebiete?

Innerhalb der beiden Senate hat jeder schon ein bestimmtes Gebiet. Die neuen Anträge kommen gleich zu dem Richter, der für dieses Fachgebiet zuständig ist. Ich hatte zum Beispiel das Grundstücksverkehrsrecht und Eigentumsfragen, Umweltschutz und Kindergeldrecht.

Zum Letzteren haben wir eine besonders bedeutende Entscheidung gefällt:
Das Kindergeld darf man nicht besteuern, denn es gehört zum Existenzminimum, und eine Steuer darf das Existenzminimum nicht beeinträchtigen. Das war damals noch nicht so Allgemeingut.

Jeder neu gewählte Richter wird zunächst in die Rolle eines Spezialisten gedrängt. In der Praxis kann man dagegen zunächst einmal nichts machen, weil man erst berufen wird, wenn ein anderer Richter ausscheidet und dann bekommt man den Fachbereich, der gerade frei ist, denn es wird nicht immer wegen jedes Richterwechsels neu gewürfelt und alles neu aufgerollt. Man kann dann hinterher aus irgendeinem Grund sagen, ich fühle mich auf diesem Fachgebiet nicht wohl und möchte etwas anderes machen.

4. Les juges constitutionnels se spécialisent-ils dans différents domaines du droit ?

En général on peut dire que tous les juges doivent avoir des connaissances sur tous les domaines du droit, mais chaque juge doit être expert.e d’un domaine précis. Mais quand on devient juge constitutionnel, on ne choisit pas son domaine parce que normalement, on doit reprendre le domaine du juge qu’on remplace.

5. Wie läuft die Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde ab?

Es wird immer ein Richter als Berichterstatter bestimmt, der muss den Fall vorbereiten und ein sogenanntes Votum, also einen Entwurf machen, in dem er alle ihm wichtig erscheinenden Momente, also den Sachverhalt natürlich, aber auch die Rechtsprobleme, die sich auftun, aufführt und dann einen Lösungsvorschlag macht. Und auf dieser Grundlage wird dann diskutiert, und zwar völlig gleichberechtigt, also auch der Vorsitzende des jeweiligen Senats hat keine Sonderrechte, sondern leitet nur die Verhandlung und verhindert, dass alle durcheinanderreden.

Ein Kollege von mir hat mal gesagt, das sind ja acht Richter, das ist wie ein Achter beim Rudern, aber ohne Steuermann, weil der Präsident ja keine Sonderrechte hat.
Das ist richtig, aber er leitet die Diskussion, und das wird auch beachtet. Ich habe damit noch nie Schwierigkeiten gehabt. Wir haben uns immer alle gut verstanden, unabhängig davon, ob wir einer Meinung waren oder nicht.

5. Comment la décision sur une plainte constitutionnelle se déroule-t-elle ?

Un juge est toujours désigné comme rapporteur, alors il doit préparer l’affaire, c’est-à-dire un projet avec tous les faits importants, et proposer une solution. Ce « Votum » est la base pour le débat pendant lequel nous avons tous les mêmes droits même si le président p.ex. donne la parole aux autres.

Un de mes collègues disait que nous sommes comme „les huit rameurs mais sans barreur“ car le président n’a pas de privilèges, nous sommes tous égaux et on s’entendait toujours très bien même si on avait des opinions différentes.

 6. Werden Sie von einem Team unterstützt?

Jeder Richter wird bei der Entscheidungsfindung durch zwei oder drei wissenschaftliche Mitarbeiter unterstützt, die man selbst aussucht. In Frage kommen Volljuristen, die meistens etwa 10 Jahre jünger sind als man selbst.
Erstmal muss man sowieso die Mitarbeiter des vorhergehenden Richters übernehmen, die hören nämlich in der Regel nicht mit dem ausscheidenden Richter gemeinsam auf. Bei der Suche nach einem neuen Mitarbeiter nimmt man Kontakt zu verlässlichen Personen auf, die man aus der bisherigen juristischen Tätigkeit kennt. Ich zum Beispiel habe viele verwaltungsjuristische Fachleute gebraucht, denn meine Themen waren ja alle aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich. Ich habe mich bei der Suche an die zuständigen Ministerien und Gerichtspräsidenten oder deren Personalreferenten gewandt. Und ich hatte auch noch zufällig Verbindungen nach Rheinland-Pfalz, da habe ich den damaligen Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts kennengelernt, und der war ein verlässlicher Mann. Wenn man den gefragt hat, ob er einen Verwaltungsjuristen hat, der in meine Zuständigkeit passt, da hat man sich auf seine Vorschläge verlassen können.
Bei so einer Auswahl muss man auch aufpassen, denn es gibt gescheite Leute, die auch intellektuell beeindrucken, aber auch überempfindlich oder rechthaberisch sein können. Darunter kann die Zusammenarbeit leiden.

Am schönsten war für mich die Zusammenarbeit mit meinen Mitarbeitern in den letzten drei Jahren. Wir waren so ein eingespieltes Team, dass wir von den Kollegen den Spitznamen „Dream Team“ bekommen haben.
Die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Bundesverfassungsrichters kann im Übrigen auch für die spätere Laufbahn des Mitarbeiters durchaus förderlich sein. Einer meiner Mitarbeiter ist beispielsweise Regierungspräsident von Unterfranken geworden, andere wurden Bundesrichter.

6. Est-ce que vous êtes soutenu par une équipe ?

Il y a des collaborateurs scientifiques qui sont normalement aussi des juristes plus jeunes. Au début les juges travaillent avec les collaborateurs de leur prédécesseur. J’avais choisi trois collaborateurs mais ce nombre peut varier. Moi, j’étais spécialisé dans le droit public alors j’avais besoin de juristes d’administration.

Je me suis informé en parlant avec les ministères responsables ou avec les présidents des tribunaux etc. Grâce à leurs conseils j’étais sûr de choisir les meilleurs collaborateurs. Mais la coopération doit fonctionner :  Il y a aussi des personnes vraiment intellectuelles mais qui ne sont pas très coopératives ou sont un peu sensible.

La plus belle expérience, c’étaient les dernières trois années, parce que j’avais une équipe grandiose, on nous appelait « Dream Team » parce que nous avons travaillé super bien ensemble. Et bien sûr les collaborateurs scientifiques en profitent également pour leur carrière juridique.

7. Was war der härteste Fall, den Sie je hatten und der Sie auch psychisch am meisten belastet hat?
Eine psychische Belastung habe ich eigentlich nie empfunden. Dass man an einem Fall mal ein bisschen länger überlegen muss, das ist ja klar, aber das weiß man ja, wenn man eine solche Position übernimmt.
Man muss mit dem eigenen Gewissen fertig werden, aber das lernt man ja im Laufe der Zeit und wenn man sein ganzes Leben nichts anderes macht. Ich habe immer in einem Kollegialgericht gearbeitet, also beispielsweise nicht alleine als Amtsrichter, da nimmt man auch Rücksicht aufeinander und die Diskussion ist sachlicher.
Es gab natürlich viele Entscheidungen, die wichtig waren. Besonders arbeitsintensiv war die die Frage der Unabänderlichkeit der Besatzungsenteignungen durch die sowjetische Besatzungsmacht im Osten Deutschlands. Die ist ja im Wiedervereinigungsvertrag und in den Begleitverträgen auch mit Billigung von uns hingenommen worden, allerdings mit dem Zusatz, dass die Schäden ausgeglichen werden mussten. Diesen Ausgleich, der dann später in Geld erfolgt ist, habe ich aber selber nicht mehr am Gericht erlebt. Da sind andere damit befasst gewesen. Diese Entscheidung hat wirklich geeilt, die Öffentlichkeit und die Praxis wollte ja Klarheit haben, ob das jetzt nochmal aufgerollt wird. Natürlich wollten auch die Beteiligten dann wissen, ob sie etwas zurückbekommen.

Diese Entscheidung war nicht ganz einfach, aber es hat nie etwas gegeben, mit dem man psychisch nicht fertig geworden ist. Heute ist das ja alles in weiter Ferne und mildert das auch ab, aber damals war das sehr präsent.

7. Quel était le cas qui vous a touché le plus ?

Je n’ai jamais vraiment ressenti de stress psychologique. Il est évident qu’il faut réfléchir beaucoup sur un cas, mais on le sait quand on adopte une telle position. Je n’ai jamais vécu de stress émotionnel, avec lequel je ne pouvais pas vivre. Bien sûr, il y avait beaucoup de décisions importantes.

Il y avait une affaire qui m’a particulièrement occupé : Après la réunification de l’Allemagne, les habitants de l’Allemagne de l’Est ont perdu leurs propriétés à l’Union soviétique et les dommages devaient être compensés financièrement. On devait rapidement prendre cette décision car l’opinion publique voulait avoir des résultats. Naturellement, les personnes touchées par l’expulsion après la Seconde Guerre mondiale voulaient aussi savoir s’ils obtiendraient encore quelque chose. Cette décision n’a pas été facile, mais il n’y avait aucun cas qui m’a dépassé.

Aujourd’hui, tout cela est loin, mais à l’époque, c’était très présent pour moi.

8. Was passiert, wenn ein Richter einer Partei angehört und deswegen möglicherweise beeinflusst ist von seiner politischen Meinung?
Das Gesetz erlaubt Richtern, einer politischen Partei anzugehören. Das ist vielleicht nicht ganz selbstverständlich.

Ich selbst war parteilos und habe mal eine Diskussion angestoßen, ob man nicht während dieses Amtes die Parteimitgliedschaft ruhen lassen sollte. Aber da war so ein einhelliger Widerstand, dass mein Vorschlag keine Chance hatte, verwirklicht zu werden.
Die Befürworter der Parteimitgliedschaft sagen natürlich: In der Demokratie geht alle Staatsgewalt vom Volke aus; und weil das Volk nicht immer eine eigene Volksabstimmung machen kann, würde alles zum Erliegen kommen, wenn man die Entscheidungen nicht auf demokratisch gewählte Volksvertreter*innen übertragen dürfte. Also da ist nichts zu machen, das ist erlaubt und letztlich auch notwendig.
Und dass dann kein Radikalismus in irgendeiner Form auftritt, das ist vielfach abgesichert. Denn Bundestag und Bundesrat wählen die Richter des Bundesverfassungsgerichts mit Zweidrittelmehrheit und die hat bisher in der Politik noch nie ein Parteienbündnis erreicht.  Also sind die Wahlgremien auf eine Einigung angewiesen und insofern ist es auch nicht besonders abwegig, dass man eine Parteimitgliedschaft von Richtern erlaubt.

Und inwieweit der Richter durch seine Parteimitgliedschaft bei einem Problem  “vorprogrammiert“ ist, das ist natürlich ganz unterschiedlich. Die Parteimitglieder sind ja auch nicht immer pauschal einverstanden mit jeder Nuance, die in der Politik als Frage auftritt. Und da die Richter des Bundesverfassungsgerichts mit einer Zweidrittelmehrheit gewählt werden, urteilen sie sachlich und Radikale haben eigentlich keine Chance. Wenn jetzt aber trotz aller Vorsichtsmaßnahmen ein Richter besonders radikale Ansichten vertreten sollte, dann gibt es ja immer noch sieben andere Richter in einem Senat, so dass er mit solchen Ansichten keine Mehrheit finden würde.
Ich habe es übrigens nie erlebt, dass man sich nicht verstanden hat oder dass ein Richter blind dem Programm seiner Partei gefolgt ist. Ich sehe da keine großen Gefahren. Es muss ja alles ausdiskutiert werden, das Für und Wider, und das wird auch sehr gründlich gemacht.

8. Les juges sont-ils influencés par leur parti politique s’ils sont membres ?

En général ce n’est pas possible parce que les juges sont votés avec une majorité de deux tiers par le Bundestag et le Bundesrat, alors en fait, ils ne peuvent pas être extrémistes. Mais s’il y avait un juge extrémiste qui ne peut pas séparer son opinion politique et sa profession juridique, il ou elle devrait encore s’imposer contre les 7 autres juges.

Moi, je n’étais pas membre d’un parti et j’ai proposé d’établir la règle que les juges ne doivent pas être actifs dans un parti pendant leur mandat pour la Cour constitutionnel, mais il y avait une grande résistance. On peut argumenter que cela donne plus de légitimité démocratique aux juges et de plus, je n’ai jamais fait des mauvaises expériences avec des collègues parce que de toute façon, on débat longuement tous les arguments pour et contre avant de prendre une décision commune.

9. Haben Sie jemals die Verantwortung, die man als Verfassungsrichter trägt, als zu groß empfunden?
Das muss ich mit Nein beantworten, denn wenn man sich für diesen Beruf entscheidet, weiß man ja, dass man sich für eine Lösung entscheiden muss. Das kann manchmal einfacher sein, je leichter man die Problematik in den Griff bekommt, auch je mehr Widerhall im Senat auftritt, dann merkt man schon, ob man eine Außenseitermeinung vertritt oder ob es mühelos geht. Und wenn es strittig wird, dann wird auch heftig diskutiert und das ist auch manchmal zeitraubend, aber man muss es ja machen und dann muss man sich auch irgendwann zu einer Entscheidung durchringen.
Die Verantwortung ist man aber gewohnt. Man ist ja nicht gleich Bundesverfassungsrichter, sondern man durchläuft ja das Jurastudium, wo einem dann auch alles nahegebracht wird, was mit dem Amt verbunden ist. Und wenn man dann einen juristischen Beruf ergriffen hat, dann hat man auch schon vor der Berufung zum Bundesverfassungsrichter Erfahrungen gesammelt. Also ich glaube, man kann dann nicht sagen, man empfindet die Verantwortung als zu groß, das gehört zum Berufsleben.

9. Avez-vous jamais pensé que la responsabilité comme juge constitutionnel soit trop lourde ?

Non, parce que on sait qu’il faut toujours trouver une solution. Cela peut être plus facile de temps en temps mais il y a bien sûr les autres dans le Sénat avec qui on peut aussi discuter. Dans le Sénat il y a quelques fois des vifs débats et cela peut prendre du temps mais c’est indispensable pour trouver une solution. Et finalement, on est habitué à cette responsabilité parce qu’on a déjà fait des expériences dans les métiers juridiques.

10. Gab es Momente, in denen Sie sich bei einer Entscheidung sehr unschlüssig waren und was hat Ihnen dann zu ihrer endgültigen Entscheidung verholfen?

Also in strittigen Fragen gibt es schon Unterschiede, ob die Lösung für einen Streit für einen selbst offensichtlich erscheint oder ob man selbst zunächst weitgehend unschlüssig ist. Dann muss man sich auch die Meinungen der anderen Richter anhören, die haben ja auch eine begründete Meinung und es muss alles rationell zugehen. Man hat ja auch noch die wissenschaftlichen Mitarbeiter als Team, mit denen man zusammenarbeitet, die helfen auch bei einer Meinungsbildung.
Es gibt natürlich Probleme, die einem einfacher erscheinen, da ist man sich schneller schlüssig, wie man abstimmen wird, und es gibt Probleme, die einem selbst auch schwierig erscheinen und dann hört man sich auch alles an, was die anderen als Argumente vorbringen. Es lösen sich auch viele Probleme, je mehr man die Ursachen der Probleme ergründet und die Argumente überlegt, die dafür und dagegen sprechen. Und dann wird abgewogen, auch selbst tut man das für sich. Ich habe eigentlich keinen Fall erlebt, wo es mir völlig unverständlich war, was die anderen in der Mehrheit vertreten haben.

Richter können auch eine Mehrheitsentscheidung machen und das Abstimmungsergebnis mit dem Richtspruch veröffentlichen. Dann steht da zum Beispiel: Diese Entscheidung ist mit 6 zu 2 Stimmen ergangen. Dann wissen die Beteiligten, bei einem schweren Verfahren zum Beispiel, dass ihre Argumente nicht als abwegig angesehen worden sind. Und dann muss man sich aber auch entscheiden, das gehört zum Richteramt. Also wer das nicht kann oder als eine übermäßige Belastung empfindet, der soll nicht Richter werden.

10. Souvenez-vous de moments où vous étiez très indécis ? Comment vous êtes-vous décidé ?

Bien sûr il y a des désaccords c’est pourquoi il faut communiquer avec les autres juges et aussi avec ses collaborateurs scientifiques. Souvent, on trouve une solution pendant qu’on débat des causes pour le problème.

Il est aussi possible de prendre une décision avec un majorité de deux tiers, mais on doit publier le vote (par exemple 6 pour, 2 contre) pour qu’on sache que c’est une affaire controversée. Mais il faut toujours prendre une décision. Quelqu’un qui n’est pas capable de le faire ne doit pas devenir juge.

11. Darf man sich als Verfassungsrichter enthalten?
Nein, es muss jeder abstimmen. Das habe ich auch noch nie erlebt, dass sich da jemand geweigert hätte, mit abzustimmen. Man geht ja nicht in ein so hohes Amt, um sich dann der Stimme zu enthalten. Es ist schließlich auch Dienstpflicht, dass man sich entscheidet, und jeder möchte ja, dass seine Meinung zu Geltung gebracht wird.

11. Peut-on refuser de voter comme juge constitutionnel ?

Non, tout le monde doit voter. Je n’ai jamais vu quelqu’un refuser de voter. On n’accepte pas un poste tellement important pour s’abstenir. Après tout, c’est aussi un devoir de prendre des décisions et chaque juge veut faire entendre sa voix.