Zum Europatag 2020

Bundespreisträgerinnen im 67. Europäischen Wettbewerb

Wie begeht man den Europatag 2020 am 09.05., da doch Europa mitten in der Corona-Krise steckt? Verschiedenste Rezensionszahlen machen die Runde, Pandemie-Szenarien ebenso wie die aktuellsten Reaktionen auf Infizierten-Fallzahlen und Lockerungsbeschlüsse aus dem gesellschaftlichen Stillstand, der seit Wochen den Großsteil Europas fest im Griff hat.
Was gäb’s da also zu feiern?
Eine ganze Menge, denn das Glas ist nicht halb leer, sondern halb voll:
– Unsere SchülerInnen kommen peu à peu zurück in die Schule.
– Unsere gemeinsamen Werte haben gezeigt, dass gegenseitiger Respekt und Toleranz der Interessen anderer Handlungsgrundlagen sind, die wir alle schätzen.
Und:
Unsere SchülerInnen haben für ihren kreativen Beitrag im 67. Europäischen Wettbewerb, dem ältesten künstlerischen Wettbewerb Europas überhaupt, einmal mehr bewiesen, dass sie zu Fragen und Themen der Zeit einen wirkungsvollen Ausdruck haben. Sie sind Landes- und Bundessieger im Wettbewerb!
Die Teilnahme zahlreicher SchülerInnen des Dalberg-Gymnasiums aus verschiedenen Klassen der Unter- und Oberstufe in den Fächern Deutsch und Kunst hat zu mehreren bayerischen Landessiegern sowie zu Nominierungen auf Bundesebene und sogar zwei Bundespreisträgerinnen gesorgt.

So freuen wir uns sehr über die beiden Sieger auf der Landesebene aus der Klasse 5d, Laurin Jaouiche und Milena Haak, deren Arbeit auch auf die Bundesebene weitergeleitet wurde. Beide bearbeiteten das Thema: „Baba Yaga meets Froschkönig“ (Modul 2-1) und schrieben Märchen, in denen europäische Märchenfiguren aufeinandertreffen. Im einen Märchen wird der Brexit thematisiert. Rotkäppchen lebt in England, wo sich die Menschen von der EU abwenden. Wie im Märchen typisch werden Figuren mit einseitigen Eigenschaften vorgestellt, so der hektische britische Geschäftsmann, der jedoch, wie „Hans im Glück“, schlechte Deals eingeht. Ist der Brexit vielleicht selbst ein schlechter Deal? Im Gegensatz dazu wird Schottland als eine „märchenhafte“ Region entworfen, in der „die Welt noch in Ordnung“ ist. Dort trifft die Hauptfigur auch mehrere Märchenfiguren, die ihr helfen, zu ihrer Großmutter zu gelangen. Schottland wird außerdem mit einer heilen Natur gleichgesetzt, in der sich scheinbar auch der Autor gerne aufhält. Als Lehre für das gemeinsame Zusammenleben, auch in Europa, könnte man formulieren, dass man (nur) ans Ziel kommt, wenn man einander hilft, wie die Märchenfiguren in der zweiten Hälfte der Geschichte. Interessant ist auch, dass mit Rotkäppchens Freundin „Gelbwestchen“ neben dem Brexit auch eine Entwicklung in Frankreich angesprochen wird. Im anderen Märchen treffen sich zunächst Rapunzel, die ursprünglich aus einem französischen Märchen stammt, und Schneewittchen aus den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm aus Deutschland. Beide werden dann aus ihrer heilen Märchenwelt in die künstliche Welt des Disneyland Paris, das bis 1994 noch „Euro Disney“ hieß, geworfen. Dort treffen sich heute Menschen aus ganz Europa, um vor allem auch die Umsetzung europäischer Märchen durch den amerikanischen Konzern Disney zu erleben. Die Prinzessinnen erkennen zwar vage Versatzstücke aus ihrer Märchenwelt (und damit unserem europäischen Kulturgut), aber die (amerikanische und an Profit orientierte) Umsetzung und unsere künstliche Lebenswelt erscheint ihnen fremd.
Aus den Texten aller SchülerInnen der Klasse 5d entstand ein wunderbares Märchenbuch, das es, wenn Corona es zulässt, demnächst in der Schule zu kaufen geben wird. Einen kleinen Einblick in das Buch gibt es bereits hier.

Zwei weitere Sieger auf der Landesebene sind Cara Bachmann und Jakob Döhrer aus der Klasse 7b, beide ebenfalls mit dem Thema: „Baba Yaga meets Froschkönig“ (Modul 2-1) aber im Fach Kunst. Auf die Bundesebene weitergereicht wurden zudem die beiden Unterstufenschülerinnen Viktoria Fricke und Marlene Aulbach aus der 7a mit ihren stimmungsvollen und spannenden Arbeiten zum gleichen Thema. Die beiden sehr begabten Dalbergianerinnen errangen hier je sogar einen Bundespreis – das ist eine Auszeichnung auf ganz hohem Niveau, zu der wir ihnen, wie auch den Landessiegern, natürlich ganz herzlich gratulieren möchten.
Zum Leben erweckt haben die SchülerInnen alle eine ereignisreiche Fusion, in der bekannte Figuren und Wesen aus verschiedenen europäischen Märchen und Sagen neue Abenteuer miteinander erleben. Besonders bereichernd war es dabei schon zu Beginn zu erleben, wie schnell sich ein riesiger Fundus an Geschichten aus den verschiedenen Ländern Europas allein aus dem Wissen und den unterschiedlichen kulturellen Einflüssen der Kinder zusammensammelte. Wunderschöne Märchenbücher mit herrlichen Illustrationen wurden mitgebracht und gemeinsam angeschaut. Und ganz ruhig wurde es in der Klasse, wenn einzelne SchülerInnen frei erzählt ihre Lieblingsmärchen vortrugen. Die künstlerische Umsetzung der dann entstandenen Motive in die Hochdrucktechnik verlangte den SchülerInnen im reinen Arbeiten mit Flächen anstelle der gewohnten Linien zwar eine ganz neue Gestaltungsweise ab, fand aber zusammen mit dem handwerklichen Schnitzen und Drucken an der Druckerpresse sehr großen Anklang. So konnten hier auch SchülerInnen, die sonst vielleicht nicht so genau und detailliert arbeiten können, durch einen geschickten Wechsel der hellen und dunklen Flächen im Entwurf, eine gute Idee für die Komposition und etwas handwerkliches Geschick zu ganz reizvollen und ausdrucksstarken Ergebnissen gelangen.

Neben den Unterstufenklassen waren auch die Kunst-Addita Q11 und Q12 ebenfalls recht erfolgreich, die mit den Modulen 4-1 „Körper(-Kulturen)“ (Q11) und 4-2 „Das gemeinsame Haus Europa“ (Q12) angetreten waren. Die in den Werken entwickelten Ideen zu Körperdarstellungen, Körperkulten etc. bzw. die gemeinschafts- und sinnstiftenden Gedanken hinter einem gedachten „Haus Europa“ konnten vielfältiger kaum sein.
So entstanden im Bereich der „Körper(Kulturen)“ Adaptionen von (Stil-)Ikonen (z.B. die Mona Lisa als geschlechterneutrale Ikone der gegenwärtigen Neuzeit), Kippfiguren, die z.B. zwischen Geschlechterstereotypen unterschiedlicher gesellschaftlicher Akzeptanz erscheinen. Die Technik der Kippfiguren ist eine sehr aufwendige, bei der zwei ähnliche Bildporträts so zusammengefügt werden, dass von der einen Seite das eine und von der anderen Seite das andere Stereotypenbild sichtbar wird. In der Frontansicht verschwimmen dagegen die Ansichten zu einem unscharfen Gebilde, das eine eigene Betrachterwendung erzwingt.

Andere Varianten bedienten sich symbolträchtiger und mythologisch bekannter Bildzitate von Narzissten und Ideen der Selbstinszenierung im Erscheinungsbild eines Displays gezeigt als Stellvertreter einer medial gesteuerten Körperkultur. Das „gemeinsame Haus Europa[s]“ wurde ebenso differenziert und experimentell in der Praxis visualisiert: als Bühne gelebter Geschichte, als Lehrstück verantwortungsbewussten Handelns – ganz im Brecht’schen Verständnis-, als „Bio-Top & Bio-Pic“ zu aktuellen europäischen Themen wie Waldsterben, zu „Flüchtlings- und Hochwasserwellen“, zu Völkerwanderungen und Massentourismus, zu vermeintlichem Graufilter der Geschichte. Wie komplex die einzelnen Werke konstruiert und dargestellt wurden, lässt sich am besten bei Betrachtung der Abbildungen nachvollziehen.
Aus den eingereichten Arbeiten gingen hier vier Bayerische Landessieger hervor, darunter wurden zwei auch auf die Bundesebene weitergeleitet: Antonia Grübl (Q12) und Maria Giegerich (Q11) – beide „Landes-/ Bundessiegerinnen“ -, Tjorven Stange (Q12) und Henriette Willen (Q11) – jeweils „Landessiegerinnen“, worüber sich alle Mitglieder der Dalberg’schen Schulfamilie sehr mit ihnen freuten.

Das allein ist Grund genug, den Europatag 2020 in einem so erfolgreichen Wettbewerbsjahr zu feiern!

Franz-Josef Pfeifer für die teilnehmende 5te Klasse im Fach Deutsch,
Susanne Tschiers für die teilnehmenden 7ten Klassen im Fach Kunst
und Anja Roßmann für die Kunst-Addita & als Seniorbotschafterin des Europäischen Parlaments