YOUrope – Deine Zauber binden wieder!

Siegerehrung der Landessieger Unterfrankens im 66. Europäischen Wettbewerb am Dalberg-Gymnasium

„Du, Europa, von dir geht Großes aus!“ – So oder so ähnlich könnte man die Verse aus Friedrich Schillers Ode „An die Freude“ (Frühfassung von 1785, Spätfassung 1808, posthum veröffentlicht) interpretieren. Statt „Europa“ war, wie aus Briefen des Verfassers bekannt ist, sein treuer Freund und Verleger Christian Gottfried Körner eigentlich gemeint, dem er diese poetische Freundschaftserklärung widmete. Körner war nicht nur finanzieller Unterstützer und Förderer Schillers, sondern bot auch geistigen Austausch zahlreicher seiner innovativer Ideen, die ihrer Zeit teils weit voraus waren. Schiller, der aus seiner württembergischen Heimat geflohen war, meist knapp bei Kasse, weil sich revolutionäre Werke nicht zwangsläufig in Reichtum niederschlugen, sah seinen FREUND wie einen „Fürstenbruder“ (wie es in der Fassung von 1785 noch heißt), vermutlich über die Standesgrenzen hinweg. Grenzen seien zu überwinden, denn – und hier nutzt Schiller sogar eine noch weitaus deutlichere Metaphorik aus dem Militärischen im Vgl. zur heutigen Spätfassung— „Schwerther“ oder andere Mittel des Teilens bzw. Verletzens könnten nichts gegen den geistigen, freundschaftlichen Bund ausrichten, ganz gleich welcher politische Ton, bei Schiller die „Mode“, teilt. Dieser große, vielleicht etwas pathetische Geist- „Edle Einfalt, stille Größe!“ – verbinde, was zusammen gehört, weil es einer großen, edlen Sache dient. Eine solche große, edle Sache ist unser vereinigtes Europa, das sich mit der „EU“ zu einer Union, wortwörtlich zu einer Einheit(!), zusammen geschlossen hat.

Schiller wählt auch bewusst den familiären Begriff „Bruder“, um diese innere Verbindung zu verdeutlichen, in der er zu seinem Freund Körner stehe. Auch wenn (aus heutiger Perspektive wohlgemerkt!) dabei beanstandet werden könne, dass das für die Europahymne, der ja dieser Text so zugrunde liegt, keine korrekte genderspezifische Schreibweise darstelle, v.a. wie es in der modernen Fassung von 1808 heißt „Alle Menschen werden Brüder“, weil damit die Betrachtungsweise eines Mannes in einer von Männern geprägten Welt deutlich werde. Zum einen war der Text jedoch nie als Text für eine offizielle europäische Hymne, sondern als Lob auf die Freundschaft zu seinem treuen Zeitgenossen gedacht. Zum anderen legt es doch aber Zeugnis modernen europäischen Denkens ab. Standesgrenzen waren eben primär als störend und dringend als aufzuheben empfunden worden von Freigeistern wie Schiller. Sprache ist eben Denken, Denken ist Wahrnehmen.
Unsere Aufgabe, so könnte man sagen, ist es nun, Grenzen zwischen den Geschlechtern (sei es in der Rollenverteilung in Familie, Wirtschaft, Politik etc.), den Kulturen und Religionen oder zwischen den unterschiedlichen Lebensbedingungen (Einkommen, Bildungszugänge, klimatisch bedingte Einschränkungen des Lebensraums) zu überwinden.
Das Wettbewerbsmotto des diesjährigen (66.) Europäischen Wettbewerbs „YOUrope – Es geht um dich!“ brachte in diesem Sinne einmal mehr diese Aufforderung zum Ausdruck. Dass es dabei um „DICH“ geht, schwingt ja schon durch den Appell und das Wort-Klang-Spiel des englisch ausgesprochenen „Europe“ und der deutlichen Hervorhebung des „You“ mit. Das animierte auch dieses Jahr erneut tausende Schüler und Schülerinnen in ganz Europa dazu, sich in verschiedensten Aufgabenstellungen (Modulen genannt) altersgemäß und ideenreich einzubringen, sich eben angesprochen zu fühlen. Wie kreativ, scharf beobachtend, mehrdeutig, kritisierend, technisch-versiert, aber v.a. beeindruckend die dabei hervorgebrachten Werke künstlerischen Auseinandersetzens unserer jungen Generation mit aktuellen Europathemen sind, konnten wir am Mittwoch, dem 17.07.2019 in der Aula des Dalberg-Gymnasium sehen. In einem großen Festakt wurden nämlich die Landes- und auch Bundessieger aus ganz Unterfranken über alle Schularten hinweg geehrt.
Beginnend mit jener Ode „An die Freude“, in der Vertonung von Ludwig van Beethoven (4. Satz seiner berühmten 9. Sinfonie), erklang die sog. „Europa-Hymne“, arrangiert von Herrn Christoph Bayer und vorgetragen von seinem Ensemble der 10ten Klassen, ging es sehr feierlich durch das Programm. Es folgten die Begrüßung der Sieger sowie der Festgäste durch Herrn Oberstudiendirektor Fath, weitere Musikstücke des genannten Ensembles, auch eines für eine Streichergruppe und Klavierstücke, gespielt von Schülern der ehemaligen (!) Q12, die Präsentation und Vorstellung ausgewählter Siegerarbeiten durch Herrn Dr. Paczesny (StD a.D.), ein Interview unserer Schüler mit dem amtierenden Regierungspräsidenten Dr. Ehmann und der stellv. Bezirkstagspräsidentin Eva-Maria Linsenbreder zu den Themenbereichen des diesjährigen Wettbewerbs sowie eine großartige Show der Bewegungskünstler unter der Leitung von Herrn OStR Pfeifer und ein beeindruckendes ebenso feierliches Ende mit der sog. Eurovisionshymne (von M.-A. Charpentier (1643- 1704): Prelude [aus: Te Deum] )sowie einem eigens dafür von Frau StD‘ Fischer choreografierten künstlerischen Tanz mit dem passenden Titel „EuroVISION“, der gelbe Sterne immer wieder neu formierte und den Europäischen Kreis in Bewegung, aber Gleichklang zeigte. Unter den zahlreichen Gästen, die aus ganz Unterfranken zur Siegerehrung gekommen waren, fanden sich nicht nur die zu ehrenden Schüler und Schülerinnen von 20 Schulen mit ihren Lehrkräften, teils mit ihren Eltern ein, sondern auch Ehrengäste von der Europa Union (Frau E. Herzog, Herr E. Deier, Herr V. Weber, Herr Dr. Paczesny, Herr Dr. G. Beuschel), die ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Frau U. Schleicher und Vertreter der Regierung Unterfrankens wie z.B. der oben genannte Regierungspräsident Dr. Ehmann, die stellv. Bezirkstagspräsidentin E.-M. Linsenbreder, der ltd. Regierungsschuldirektor G. Mensch, Studiendirektorin M. Bruckmüller, Regierungsschulrätin A. Brühl, Beratungsrektorin P. Leuner, Schulamtsdirektor J. Hartmann. Ihre Ehre gaben ebenso die 3. Bürgermeisterin R. Schaupp, der Oberbürgermeister K. Herzog, die 3. Bürgermeisterin I. Prötschel, die 1. Bürgermeisterin H. Schmidt-Neder und Frau B. Baur als Vertreter der Städte und Landkreise Unterfrankens.
Alles in allem war es ein sehr heiterer wie fröhlicher Festakt, der im Kleinen das große Ganze würdigte, eine Idee wie sie nicht schöner als mit Schillers Worten gesagt werden kann: „[Europas] Zauber binden wieder“.

A. Roßmann (StR‘ Ku/ D, Seniorbotschafterin des Europäischen Parlaments )