Paul Maar – Der Erfolgsautor ganz persönlich und beeindruckend

Zu Beginn der interkulturellen Wochen in Aschaffenburg besuchte der erfolgreiche Kinderbuchautor Paul Maar unsere Stadt. Vor seiner musikalischen Lesung im Stadttheater nahm er sich extra für seine Fans aus der Klasse 6a des Karl-Theodor-von-Dalberg-Gymnasium Zeit. Das Treffen mit ihm war eigentlich erst für 15 Uhr geplant. Die Tür des Stadttheaters war verschlossen. Und zwanzig Kinder und ebenso viele Eltern standen auf dem Theaterplatz. Da öffnete sich die Glastür, Herr Maar kam heraus und lud uns schon eine Viertelstunde vor unserem Termin zum Gespräch, wo wir doch schon da wären.

Die Klasse 6a hatte sich im letzten Schuljahr viel mit Texten von Paul Maar beschäftigt. Schon am zweiten Schultag spielte eine Schülerin mit Tigermütze die „Hauptrolle“ im Gedicht „Ein Zirkusabenteuer mit einem Löwen und vielen Tigern“. Später wurde „Lippels Traum“ als Klassenlektüre gelesen und die SchülerInnen schrieben eigene Abenteuer von Lippel, Asslam und Hamide im Morgenland. Als Hörspiel lernten die FünftklässlerInnen „Neben mir ist noch Platz“ kennen und konnten anhand der Geschichte von Aischa, die aus Syrien nach Deutschland geflohen war, über die aktuelle Flüchtlingswelle sprechen. Zuletzt war Paul Maars Märchenparodie „Die Geschichte vom bösen Hänsel, der bösen Gretel und der Hexe“ Anlass, selbst ein eigenes Märchenbuch mit Parodien zu verfassen.

Nun hatten die SchülerInnen die Möglichkeit, dem preisgekrönten Kinderbuchautoren Fragen zu diesen Texten und zu seinem Leben zu stellen. Zuerst überraschte Paul Maar seine Zuhörer damit, dass er ein neues Buch mit Märchenparodien: „Schiefe Märchen und schräge Geschichten“ veröffentlicht habe, aus dem er gleich eine kurze Geschichte aus dem Stegreif zitierte. Hier benutzte eine Märchenfigur, wie auch in den Parodien der SchülerInnen, ein Smartphone. Es folgte sofort die Frage, wann denn ein neuer Sams-Band erscheine. Auch hier verblüffte der Schriftsteller damit, dass vor wenigen Tagen „Sams feiert Weihnachten“ erschienen sei. Die Klasse bekam nun einen guten Eindruck davon, wie (fleißig) Paul Maar arbeitet und wie viele Bücher er in seinem Leben bereits geschrieben hat. Die Bände reihen sich in seinem Arbeitszimmer in Regalen von einer Wand zur anderen. Interessant fanden die Kinder auch die Erläuterungen zu den Übersetzungen der Texte in andere Sprachen. Mahmoud Hassanein übertrug zum Beispiel das Sams ins Arabische, indem er alte Bezeichnungen der Wochentage recherchierte und das Sams entsprechend umbenannte. Er zeigte sich als wahrer Botschafter deutscher Kinderliteratur in die arabische Welt. Paul Maar übersetzt aber auch selbst Bücher anderer Autoren ins Deutsche. Er arbeitete außerdem als Kunstlehrer, Bühnenbildner, Theaterfotograph, Drehbuch- und Theaterautor und als Illustrator. Beeindruckt zeigten sich die SchülerInnen auch, ob der vielen Parallelen des Lebens von Paul Maar zu seinen Figuren. So stand zum Beispiel ein Angestellter seines Vaters Pate für Herrn Taschenbier, dem Maar das Sams gab, um „aus sich heraus gehen“ zu können.

Sein Können als Illustrator zeigte Paul Maar bei der folgenden „Autogrammstunde“, bei der er jedem Kind in Windeseile eine kleine Zeichnung in sein mitgebrachtes Buch zauberte: das Huhn Helene aus „Die Opodeldoks“, der Hund aus „Herr Bello“, ein Troll aus „Lippel, träumst du schon wieder?“ oder eben der Esel von Nasreddin Hodscha, dem türkischen Till Eulenspiegel von dem die Klasse ebenfalls bereits im letzten Schuljahr gehört hatte.

Diesem berühmtesten Narr, Philosophen und Geschichtenerzähler der islamischen Welt war nun die musikalische Lesung „Neues vom fliegenden Kamel“ im Stadttheater gewidmet. Der Sage nach soll Nasdreddin im 14. Jahrhundert in Anatolien gelebt haben. In allen von ihm überlieferten Geschichten lebt er in einer dörflichen Umgebung in ärmlichen Verhältnissen. Sein einziger Besitz ist ein alter Esel. Selbst einen Kochkessel muss er sich von seinem Nachbarn leihen. Paul Maar erzählte nun einige dieser alten Nasreddin-Geschichten auf seine besondere Art nach. Darüber hinaus erfand er neue Schelmengeschichten aus dem Hier und Heute.

Aus der Zeit des Nasreddins und dem orientalischen Kulturkreis spielte das Ensemble Capella Antiqua Bambergensis die passende Musik auf historischen Instrumenten. Unterstützt wurde sie dabei von Murat Coşkun, dem Virtuosen auf der Rahmentrommel und Ibrahim Sarıaltın mit der türkischen Laute und traditionellem Gesang. Als besondere Überraschung wurde die Gruppe noch durch eine Musikerin aus Aschaffenburg verstärkt.

Uns Zuhörern gefiel das Zusammenspiel von Musik und Text, von Deutsch und Türkisch sehr gut. Die Texte luden zum Nachdenken und Schmunzeln ein. Man bekam einen Eindruck vom Klang des Türkischen und durfte entdecken, dass der Esel im Deutschen „I Ah“, im Türkischen aber „Ah I“ macht. Die Lebensfreude der Musik steckte an, auch zum Mitwippen und Mitklatschen. Gut identifizieren konnte sich die musische Klasse mit den beiden Kindern von Murat Coşkun, die mit ihrem Vater auf der Bühne standen.

Wir waren uns sicher: Das Projekt wurde zu Recht als ein besonderer Beitrag für den interkulturellen Dialog zwischen Deutschland und der Türkei, der gerade in der aktuellen Lage besonders wichtig ist, vom Auswärtigen Amt ausgezeichnet. In diesem Zusammenhang hatte die Klasse bereits im letzten Schuljahr das Theaterstück „Taksi to Istanbul“ besucht.

Außerdem hatten wir einen Paul Maar erlebt, dem man seine (fast) 80 Jahr nicht anmerkt und der den SchülerInnen gegenüber extrem offen und freundlich war. Wir bedanken uns bei einem ganz großen Menschen und Schriftsteller und hoffen, dass er auch ein wenig Freude dabei hat, wenn er die Geschichten in unserem Märchenbuch liest und dabei den Wein des Enkels der Reichsfreiin Maria Anna von und zu Dalberg trinkt, welche das letzte lebende Familienmitglied der Adelsfamilie von Dalberg auf Wallhausen war.

    

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