Sprechtheater, Hör-Spiel-Performance und Kabarett – Jugendabo im Stadttheater

In diesem Schuljahr nahmen 50 Schülerinnen und Schüler des Dalberg-Gymnasiums am Jugendabo des Stattheaters Aschaffenburg teil. Dabei wählten die Schülerinnen und Schüler sich aus sechs Terminen an verschiedenen Wochentagen, um nicht immer denselben Nachmittagsunterricht zu tangieren, mindestens vier Vorstellungen aus.

Das Angebot war sehr vielfältig. Den Beginn machte eine „Hör-Spiel-Performance“ zu Büchners unvollendetem Stück „Woyzeck“. Durch Klanginstallationen wird vor allem die Gedankenwelt des Protagonisten sehr intensiv dargestellt. Eindrücke dazu gibt es unter diesem Video. Nach der Vorstellung durfte ein Teil unserer Schülergruppe mit den Schauspielern über die Umsetzung des Dramas auf der Bühne sprechen. Weiter ging es mit einem Klassiker aus der englischen Literatur: Shakespeares „Der Sturm“. In diesem Drama offenbart sich Shakespeares ganze Fantasie und tiefe Kenntnis aller Spielarten der menschlichen Seele. Auch hier gibt es ein Video mit Eindrücken der Inszenierung. Eine Besonderheit stellte der Besuch von „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier“ dar. Das P-Seminar von Herrn Lorentzen lud Flüchtlinge aus Aschaffenburg dazu ein, gemeinsam mit uns das zeitgenössische und sehr aktuelle Stück über Heimat, Flucht, Krieg und Asyl zu sehen. Danach teilten die Gymnasiasten und Flüchtlinge ihre Eindrücke mit den Schauspielern. Das war sehr bewegend und erhellend. Die syrischen Gäste fanden sich in der dargestellten Geschichte sehr wieder. (Video) Lessings Drama „Nathan der Weise“ stammt zwar aus der Epoche der Aufklärung, ist jedoch mit seinem Appell zur Toleranz der Religionen auch gerade heute wieder sehr aktuell. Am Donnerstag vor den Osterferien nahm uns Sven Kemmler im Hofgarten Kaberett mit in die komischste, ungewöhnlichste und sinnvollste „Englischstunde“ unserer Zeit. (Video) Im Juni endet das Jugendabo mit „Tigermilch“. Wir sind gespannt auf „eine spannungsgeladene Mischung aus Abenteuerroman, Sozialreportage und „Lust for Life“.

Das Jugendabo ist eine wahre Bereicherung! Viele Dramen versteht man erst richtig, wenn man sie auf der Bühne gesehen hat. Sicherlich werden sich im nächsten Jahr wieder viele (vielleicht noch mehr!) Schülerinnen und Schüler dafür anmelden!

Zusätzlich zum Jugendabo besuchen aber auch andere Schülergruppen des Dalberg-Gymnasiums Vorstellungen im Stadttheater, so zum Beispiel „Der kleine Prinz“, „The Frog Prince“ und „The Witches“. Die Schauspieler des letzteren Stücks kamen sogar für einen Theaterworkshop zu uns an die Schule.

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Woyzeck ist ein einfacher Mann. Er wird geschunden von Doktoren und Militärs, zum Versuchskaninchen der Wissenschaft gemacht, missbraucht und verlacht von Autoritäten, die er nicht versteht und gegen die er nicht ankommt. Und seine geliebte Marie? Sie geht tanzen und nimmt Geschenke an von Männern, um ein wenig Anerkennung und Geld ins Haus zu bringen für sich und Kind und Mann. Als Woyzeck das merkt, wird er verrückt vor Eifersucht. Er wird zum Mörder und ist doch selber ein Opfer der unmenschlichen Verhältnisse.

Die Schauspieler und Musiker nähern sich dem Drama von der musikalischen Seite an. Mit Turntables, Akkordeon und Stimmen spüren sie dem Klang und den Geräuschen von Georg Büchners Text nach und bringen so den Inhalt neu ins Ohr und vor die Augen.

„On Air: Woyzeck“ ist nach „On Air: Die Räuber“ die zweite Produktion in einer Reihe von Hör-Spiel-Performances. Das Theaterhaus Ensemble nimmt mit zwei Musikern einen neuen Blick auf die klassische deutsche dramatische Literatur und sucht nach zeitgemäßen Formen für ein junges Publikum.

Der Sturm: Vor 13 Jahren wurde Prospero, Herzog von Mailand, von seinem eigenen Bruder und mit Hilfe von Alonso, dem König von Neapel vom Thron gestoßen und zusammen mit seiner kleinen Tochter Miranda auf dem Meer ausgesetzt. Seitdem lebt er auf einer einsamen Insel mitten im Meer und hat mit Hilfe geheimer Bücher Zauberkünste erlernt. Er hat den Eingeborenen Caliban unterworfen und sich den Luftgeist Ariel dienstbar gemacht.

Mit seiner Magie kann sich Prospero an seinen alten Widersachern rächen: Er entfacht einen Sturm auf dem Meer und lässt das Schiff, auf dem König Alonso, sein Sohn Ferdinand und Prosperos Bruder samt Gefolge segeln, Schiffbruch erleiden. Die Verunglückten werden auf der einsamen Verbannungsinsel an Land gespült, wo Prospero mit seiner mittlerweile sechszehnjährigen Tochter Miranda haust. Am Ende vergibt Prospero seinen Widersachern, lässt den Luftgeist Ariel frei, gewährt Ferdinand die Hand seiner Tochter Miranda und schließt mit der Welt Frieden. Denn als Zauberer konnte er die Menschen mit seiner Kunst zwar manipulieren, aber nicht verändern. Verändern kann er nur sich selbst.

Durchs Shakespeares Alterswerk wehen utopische Traumbilder einer idealen Gesellschaft und ein Hauch von melancholischem Abschiedsschmerz. Doch auch deftige Rüpelkomik und dunkle Charaktere voller Durchtriebenheit und niederer Absichten haben ihren Platz.

Stell dir vor, es ist Krieg – nicht irgendwo weit weg, sondern hier in Europa! Die demokratische Politik ist gescheitert und faschistische Diktaturen haben die Macht übernommen. Du lässt alles hinter dir. Du bist auf der Flucht. In einem ägyptischen Flüchtlingslager versuchst du mit deiner Familie ein neues Leben zu beginnen. Weil du keine Aufenthaltsgenehmigung hast, kannst du nicht zur Schule gehen, kein Arabisch lernen, keine Arbeit finden. Du fühlst dich als Außenseiter und sehnst dich nach deinem Zuhause. Doch wo ist das?

„Die Vorstellung, das eigene Leben könnte sich in ein Flüchtlingsdasein verwandeln, kommt der von einem Leben auf dem Mars gleich”, schreibt die dänische Autorin Janne Teller im Nachwort ihres gleichnamigen Buches. Die junge Regisseurin Anna Vera Kelle greift dieses eindringliche Gedankenexperiment für das Theater auf. Nicht Ideologie oder Politik stehen im Vordergrund, sondern der emotionale Zugang zu den komplexen Themen Heimat, Flucht, Krieg und Asyl. Mit einem Schauspieler, einer Puppenspielerin und einer Objektkünstlerin schafft sie ein animiertes Bühnenerlebnis, das es dem Publikum ermöglicht, das Schicksal von Flüchtlingen unmittelbar nachzuempfinden. Es geht um Respekt und Mitmenschlichkeit und die Bereitschaft von Einzelnen, von Völkern und Generationen, aufeinander zuzugehen.

Nathan der Weise: Jerusalem zur Zeit der Kreuzzüge: Nathan verliert Frau und Kinder bei einem Brand. Christen haben das Haus angezündet. Dem Unbegreiflichen, der Trauer und der Wut begegnet der Kaufmann nicht mit Vergeltung, sondern mit einer guten Tat. Er nimmt die Waise Recha bei sich auf, ist ihr ein liebender Vater. 18 Jahre später – und hier setzt Lessings Drama ein – brennt sein Haus wieder. Diesmal wird Recha von einem Tempelherrn aus den Flammen gerettet. Die Jüdin und der Christ verlieben sich ineinander. In dieser Zeit wird Nathan auch noch zum Sultan bestellt, der Antwort auf eine ganz bestimmte Frage haben will: Welcher Glaube ist der einzig wahre und richtige?

Lessings humanistischer Appell an die Menschheit geht über den Aufruf zur Toleranz und zum friedlichen Nebeneinander der Religionen hinaus. Er ist vielmehr eine Aufforderung zum Diskurs und zur Beteiligung an der Suche nach Wahrheit. Führt der Glaube an Menschlichkeit zu einem Weg der sinnvollen Existenz? Ist es möglich, frei in Würde aus sich selbst heraus zu leben und zu entscheiden – selbst in aussichtslos scheinenden Situationen?

Englischstunde – To fuck or not to be: In der Musik schätzt man es, im Marketing nutzt man es und im Urlaub misshandelt man es. Aber was ist es wirklich, dieses Englisch? Es ist Zeit für die komischste, ungewöhnlichste und sinnvollste Englischstunde unserer Zeit. Ihr Reiseleiter in die Abgründe von William Shakespeares Werkzeug und zu den Gipfeln von Eminems Malkasten ist Sven »Seven« Kemmler. Er spricht fünf Dialekte und bis zu acht Akzente fließend und berichtet erstmals unzensiert von seinen Expeditionen in Bedeutungsdschungel und Aussprachwüsten. Von den Sümpfen Alabamas, über Londoner Clubs und asiatische Straßenküchen, bis hin zu schottischen Highlands ist ihm keine Betonung fremd. Seine Mission: Lachen und Lernen.

Der virtuose Sprachkünstler unterhält mit einer Menge Freude an den Absurditäten und Abgründen der vermeintlichen „Weltsprache“ und entlarvt dabei clever und höchst amüsant, wie eng Sprache und Charakter zusammenhängen.