Linie 1 – Haltestelle „Dalberg-Gymnasium“

Nach zwei Jahren coronabedingter Pause hieß es am 29. und 30. März 2022 wieder „Bühne frei!“ für die Schülerinnen und Schüler des Profilfachs „Theater und Film“ am Dalberg-Gymnasium. Mit der musikalischen Revue „Linie 1“ von Volker Ludwig & Birger Heymann nahmen uns die in wunderbarer Spiellaune agierenden Mitglieder der Theatergruppe unter der Leitung von Dr. Susanne Koch und Johannes Lorentzen auf eine Fahrt durch Berlin mit.

Immer wieder unterbrochen von den monotonen Ansagen der U-Bahnhaltestellen wurde die Geschichte eines Mädchens (gespielt von Josephine Herzog) erzählt, das nach Berlin kommt und den Vater ihres ungeborenen Kindes sucht. Ein bisschen naiv stolpert sie durch die U-Bahn, wo sie auf all‘ die skurrilen Gestalten trifft, die die öffentlichen Verkehrsmittel bevölkern. Das reduzierte Bühnenbild zeigte einen U-Bahn-Wagon, wo ein ausflippender Aluhutträger (Jonas Richter), eine Tüten schleppende Obdachlose (Anna Göhler) oder eine orientierungslose junge Frau (Chiara Bachmann) auftauchen. In dieser unterirdischen U-Bahn-Welt findet man aber auch jugendliche Herumtreiberinnen (Nouhaila Nourti und Helena Bott), glücklich protzende Schwangere (Carla Thomma und Leni Herold), die immer gutgelaunte Bambi (Maja Händeler) oder die zickige Lady (Eduardina Cobzariu). Für manche ist die Linie 1 nur ein Verkehrsmittel, für andere ein Zuhause, wo sie (menschlichen) Anschluss suchen. Sie alle treffen auf das fremde, schwangere Mädchen, das ihren Johnnie sucht, und schließlich von der fürsorglichen Maria (Julia Krabes) unterstützt wird. Auch wenn diese Großstadtmenschen ihre eigenen Probleme haben und mit Alkohol, Drogen, Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung, Armut, dem Alter und der Einsamkeit kämpfen, zeigen sie ihre Solidarität untereinander – schön in Szene gesetzt in „Trudes Imbissbude“, wo es die typische Berliner Currywurst gibt. Die Schattenseiten der Großstadt werden auf beklemmende Weise deutlich, als sich eine junge Frau vor die U-Bahn stürzt, wofür einige nur ein kaltes Schulterzucken übrig haben. Doch die anderen zeigen Mitgefühl und Menschlichkeit und zum Schluss findet das Mädchen in dem „Jungen mit Hut“ (Moritz Händeler) einen neuen Gefährten. Und Johnnie! Der wird endlich gefunden, muss sich aber eine neue Muse suchen.

In dieser Inszenierung mit 40 Rollen wurden bis auf das „Mädchen“ alle Rollen mehrfach besetzt. Angesichts kurzfristiger personeller Engpässe mussten die jungen Schauspieler auch spontan in neue Rollen schlüpfen. Doch das tat ihrer Spielfreude keinen Abbruch – im fliegenden Wechsel wurden Jacken an- und ausgezogen, Hüte- auf- und abgesetzt. Nach gut 70 Minuten war leider schon die Endhaltestelle erreicht. Aber bald wird es noch mehr Theater geben, denn vom 21.-23. Juli 2022 finden die 64. Theatertage der bayerischen Gymnasien am Dalberg-Gymnasium und im Stadttheater in Aschaffenburg statt. Dann heißt es erneut: „Bühne frei!“ für neun Schultheater-Ensembles mit ihren Stücken. Wir freuen uns darauf!

Dr. Anja Meußer