Menschenrechte und Sport

Sie war Leichtathletin, Richterin am Arbeitsgericht, Frankfurter Stadträtin, Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer, Vorsitzende des Vorstands von Transparency International Deutschland – Sylvia Schenk hatte einiges zu erzählen, als sie zwei Kurse der Q11 des Dalberg-Gymnasiums auf Einladung des Sozialkundelehrers Franz Fischer am 30. Mai besuchte.

In den 1970er Jahren waren „aus heutiger Sicht alle korrupt“, stellte sie gleich zu Beginn des Vortrages fest, denn wohl jeder Spitzensportler – damals alle Amateure – wurde von großen Sportfirmen auch finanziell unterstützt. Die Olympiateilnehmerin von 1972 kam allerdings erst viele Jahrzehnte nach ihrer Sportkarriere dazu, sich intensiv mit Korruption zu beschäftigten. Unter Korruption versteht Transparency den Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Vorteil. Richtig in den Fokus geriet das Thema in Verbindung zum Sport im Herbst 2010 durch Korruptionsvorwürfe bei der FIFA vor der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 nach Russland und 2022 nach Katar.

Hinzu kam Kritik an der Menschenrechtslage. Doch nicht alles, was in den Medien über Menschenrechtsverletzungen in Katar geschrieben wird, ist richtig. So stellt Frau Schenk in ihrem differenzierten Vortrag, in dem sie auf Fragen der Schüler einging und anschauliche Beispiel bot, fest, dass bei 2,4 Millionen in Qatar lebenden Migrantinnen und Migranten 15 000 Todesfälle in den letzten zehn Jahren statistisch keine außergewöhnliche Zahl ist. Es muss stattdessen geschaut werden, welche Todesfälle vermeidbar waren und auf eine Rechtsverletzung zurückzuführen sind. Auf Stadionbaustellen gab es seit Baubeginn 37 tödliche Unfälle, aber weitere mit der WM in Zusammenhang stehende Baustellen sowie mögliche Folgen der extremen Hitze müssen einbezogen werden.  Auch wenn die Gesamtzahl möglicher Menschenrechtsverletzungen damit weit unter den teilweise in den Medien dargestellten Zahlen bleibt, ist mehr Transparenz und eine genaue Untersuchung aller unklaren Todesfälle nötig. Zudem wird ein Entschädigungsfonds für die Familien der Opfer gefordert.

Aus der Debatte über die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2022 nach China und der Fußball-WM nach Katar hat man gelernt. Vergabekriterien und Ausrichterverträge für künftige Veranstaltungen wurden bereits geändert. Auch in Katar hat sich inzwischen einiges verbessert, nicht zuletzt durch die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die eine Grundlage bieten, auf Arbeitsbedingungen im Austragungsland einzuwirken. In Zukunft wird es wichtig sein, ebenso wie in der Wirtschaft beim erhofften „Wandel durch Handel“ auch im Sport eine Balance zwischen universellem Anspruch unter Beteiligung aller Nationen und den Menschenrechten zu finden. Einen Boykott von Großveranstaltungen hält die Sylvia Schenk für falsch. Stattdessen rät sie: „Fahrt zu den Veranstaltungen, redet mit den Menschen dort und findet heraus, wie sie leben.“ Außerdem ist der DFB gefordert, seine Vertragspartner in Katar, zum Beispiel das Hotel, nach entsprechenden Kriterien auszusuchen. „Das sind alles internationale Hotelketten – wie behandeln sie ihre Angestellten, wird Mindestlohn gezahlt, wie sehen die Unterkünfte aus?“, fragt Sylvia Schenk. „Jetzt kommen die auf den ersten Blick einfachen Länder“, meint sie im Hinblick auf u.a. die nächsten Olympischen Spiele in Paris und die UEFA EURO 2024 in Deutschland.  Sie betont, dass auch dort Menschenrechtsverletzungen beispielsweise in der Lieferkette oder prekäre Arbeitsverhältnisse in Gastronomie sowie im Reinigungs- und Sicherheitsgewerbe ein Risiko sind.

Nach kurzweiligen 90 Minuten hatten die Schülerinnen und Schüler einen spannenden Einblick in die Welt des Sportes bekommen und eine engagierte sowie inspirierende Frau kennengelernt, deren Worte zum Nachdenken anregen.

Franz Fischer und Dr. Martin Trageser