Maskenspiel: Rafael Werners Motiv für die Theatertage

25 Fünftklässler schließen die Augen und beginnen zu zeichnen. Sie ertasten das leere Blatt vor sich, greifen zum Stift und lassen diesen mal vorsichtig, mal beherzt über das für sie unsichtbare Papier schwingen. Vor ihrem inneren Auge sehen sie eine der vielen Masken, die sie zuvor im Kunstunterricht kennengelernt haben: bunte venezianische Masken, kunstvoll verzierte afrikanische Masken oder vielleicht auch eine schnabelartige Pest-Maske. Und als ob das blinde Malen nicht schon schwer genug wäre, stellen sich die Schülerinnen und Schüler auch noch der Herausforderung, ihre Zeichnung mit einer einzigen Strichführung zu vollenden, also ohne den Stift auch nur einmal neu anzusetzen.

Die Ergebnisse sind verblüffend. Was hier in Minutenschnelle und ohne Anspruch auf Exaktheit im September 2020 entstand, ist eine abwechslungsreiche Galerie witziger, charmanter und charaktervoller Maskengesichter, die dem Betrachter unwillkürlich ein anerkennendes Lächeln ins eigene Gesicht zaubern.

Was die jungen Künstlerinnen und Künstler damals gar nicht wussten: Ihre Zeichnungen bildeten den Fundus an Motiven, aus dem das Logo für die Theatertage der bayerischen Gymnasien hervorgehen sollte. Dieses renommierte Schultheaterfestival wird vom 20. bis 23. Juli 2022 am Dalberg-Gymnasium stattfinden und ausgewählte Theatergruppen aus ganz Bayern in Aschaffenburg zusammenbringen. Die Grafikerin Sonja Langbein, ansässig in Frankfurt am Main, hat die Motive der mittlerweile in die 6. Klasse aufgerückten Schülerinnen und Schüler gesichtet und daraus mehrere mitreißende Logo-Entwürfe erstellt. Schülerinnen und Schüler der P-Seminare und beteiligte Lehrkräfte haben nun ihre Wahl getroffen: Die Zeichnung von Rafael Werner, Klasse 6d, wird als Logo der 64. Theatertage in ganz Bayern Bekanntheit gewinnen.

Mit dem Logo treffen zugleich ganz unterschiedliche Einstellungen zum Thema „Maske“ aufeinander. Da ist zum einen die Hoffnung, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2022 im besten Fall wieder ohne FFP2-Maske an den Theatertagen teilnehmen können. Zum anderen spielt die Maske traditionell eine große Rolle im Theater. Ein kreativer Umgang mit diesem Thema soll daher bei den Theatertagen im Mittelpunkt stehen. So können die Schülerinnen und Schüler am 21. Juli an Workshops teilnehmen wie „Theatermasken herstellen“, „Facial Painting“ oder „Die Maske in der Commedia dell’arte“ und damit das Thema Maske für sich neu besetzen. Ein Motto für die 64. Theatertage existiert bislang noch nicht. Naheliegend wären freilich Vorschläge wie „MaskenSpiel“ oder das doppeldeutige „Masks dOwN!“: Die großartige Arbeit der engagierten Schülerinnen und Schüler und ihrer Lehrerin Susanne Tschiers fände damit ihre berechtigte Anerkennung.

Johannes Lorentzen