Die EU in der Corona-Krise – Ein Online-Gespräch mit der Europaabgeordneten Ska Keller

Da nach wie vor Veranstaltungen vor größerem Publikum nicht stattfinden können, geht das Europaparlament neue Wege. Die Veranstaltungsreihe „EPtalks“ wurde am 10. Juni 2020 via Zoom-Konferenz durchgeführt. Das Thema war „Seal the Deal – The EU Recovery Plan and Climate Change“. Kroatien, das zur Zeit die Ratspräsidentschaft innehat, hatte zu diesem Thema zwei Gäste geladen – Jagoda Munic von der Organisation „Friends for Earth“ und die Europaabgeordnete Ska Keller, die seit 2009 für die Grünen im EP sitzt und die bei der vergangenen Europawahl deren Spitzenkandidatin war. Zunächst berichtete Frau Keller von ihren Erfahrungen während der Corona-Zeit. Außerdem lobte sie das online-Format des Gesprächs, mit dem viel mehr Menschen erreicht werden könnten als bei einem Gespräch im Parlament. Sie habe durchaus zu Beginn der Corona-Krise angesichts der Grenzschließungen und der mangelnden Solidarität der EU-Länder Angst um die Zukunft der EU gehabt. Doch der „Europäische Wiederaufbauplan“ sei ein wichtiges Zeichen der Solidarität. Ska Keller möchte allerdings nicht, dass mit den 750 Milliarden Euro aus dem Plan die „alte Ökonomie“ unterstützt wird, sondern eine ökologischere und sozialere Wirtschaft, die zudem Jobs schafft. Insgesamt ist ihrer Meinung nach der Klimaschutz zu wenig bedacht worden, obwohl die künftige Generation letzten Endes für die enormen Kosten aufkommen muss. Die deutsche Ratspräsidentschaft, die im Juli 2020 beginnt, hat als große Aufgabe, die Finanzierung des Plans zu organisieren. Keller kritisierte die deutsche Regierung, die ihrer Meinung nach in den vergangenen Monaten zu oft blockierte und sich wenig solidarisch zeigte, doch sie sieht Hoffnung in der Zusammenarbeit von Angela Merkel und Emmanuel Macron sowie die Förderung des „Green Deal“ durch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Jagoda Munic lobte ebenfalls die Kommission, die trotz der Corona-Krise an dem Green Deal festhalten will, was auch unbedingt nötig sei, denn für eine ökologische Transformation bleibt ihrer Ansicht nach nur ein Zeitfenster von fünf bis zehn Jahren. Auf die Frage aus dem Publikum, welche Vorteile der Green Deal für den Einzelnen habe, antwortete Frau Jagoda, dass weniger Emissionen zu einer besseren Gesundheit führen würden. Ska Keller betonte die soziale Bedeutung. Manche Berufe würden mehr geschätzt werden, die Lebensverhältnisse in Städten würden sich verbessern und es würden mehr Arbeitsplätze geschaffen, wenn Europa mehr auf Zukunftstechnologien setzen würde. Ihrer Meinung nach müsste das Geld des Green Deals u.a. in den Öffentlichen Nahverkehr gesteckt werden. Für Flüge müssten Steuern erhoben werden. Kurz gesagt: Wer für wenig CO2-Emissionen verantwortlich ist, soll belohnt werden, während die anderen zahlen sollen. Dies hätte einen Effekt auf die Gesellschaft, denn ärmere Menschen verursachen wenig CO2, leiden aber unter dem Ausstoß viel mehr. Da wir bereits in der Krise leben, muss eine Veränderung jetzt geschehen. Dabei ist zu beachten, dass es ein langfristiger Prozess ist, von dem am Ende alle profitieren sollen. Das interessante Gespräch, dass auch einige SchülerInnen der 10. Jahrgangsstufe live verfolgten, kann unter folgender Adresse komplett angesehen werden:

Dr. Martin Trageser