Gemeinsames Gedenken in der Cloud

22. April 2020

Das hatten sich die Schülerinnen und Schüler des Aschaffenburger Dalberg-Gymnasiums und der Rabin High School in Kfar-Saba, Israel, ganz anders vorgestellt: Geplant war eine gemeinsame Woche in Aschaffenburg mit ernster Arbeit, aber auch viel Spaß. Durch die aktuelle Situation wurde daraus leider nichts, aber Not macht eben auch erfinderisch.

Aus beiden Schulen arbeiten Schüler der Oberstufe auch in diesem Jahr am gemeinsamen Stolperstein-Projekt mit. Dabei erstellen sie Biographien für jüdische Mitbürger aus Aschaffenburg, die Opfer des Holocaust wurden und für die in der Stadt ein Stolperstein verlegt wurde. Die Biographien werden dann auf Deutsch, Englisch und Hebräisch in eine Smartphone-App geladen, mit deren Hilfe man sich vor Ort die passende Biographie zum Stolperstein anzeigen lassen kann.

Zum Projekt gehört seit fünf Jahren auch ein Schüleraustausch, bei dem die jeweiligen Projektgruppen sich gegenseitig besuchen, am Projekt arbeiten und die Geschichte, Kultur und Lebensweise im anderen Land kennen lernen. Dadurch soll eine Brücke geschlagen werden zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Der Besuch der israelischen Gruppe in Aschaffenburg sollte nun in der Woche nach den Osterferien stattfinden. Dabei wollten die Schülerinnen und Schüler im 75. Jahr nach der Befreiung der Konzentrationslager am israelischen Holocaust-Gedenktag, dem 21. April, eine gemeinsame Gedenkfeier an den Stolpersteinen in der Aschaffenburger Innenstadt veranstalten.

Um nun wenigstens einen kleinen Teil der ursprünglich geplanten Feier durchführen zu können, wurde das Gedenken kurzerhand in eine Video-Konferenz zwischen Israel und Deutschland verlegt.
So traf man sich auf Einladung der Rabin High School in einer Liveschaltung mit über 50 Teilnehmern, um gemeinsam den Opfern des Holocaust zu gedenken. Die Biographien der Menschen, deren Lebensgeschichten im Mittelpunkt der diesjährigen Projektarbeit standen, wurden jeweils auf Deutsch und Hebräisch vorgelesen. In einer bewegenden Zeremonie wurden Gedichte vorgetragen und Musik gespielt, aber es war auch eine gute Gelegenheit für die Austauschpartner, sich einmal in Bild und Ton zu treffen.

Außer den Schülerinnen und Schülern, ihren Lehrkräften, ehemaligen Teilnehmern aus den vergangenen Jahren und den Projektinitiatoren in Aschaffenburg und Kfar-Saba nahmen auch die Holocaust-Überlebenden teil, die in Israel zusammen mit den Schülern die Biographien vom Deutschen ins Hebräische übersetzen.

Nach der gemeinsamen Feierstunde waren sich alle Beteiligten einig: Trotz aller Einschränkungen ist diese Premiere einer virtuellen deutsch-israelischen Gedenkfeier sehr gut gelungen. Trotzdem hoffen alle Beteiligten, dass der für Ende Oktober geplante Besuch der Dalberg-Schülerinnen in Kfar-Saba nicht nur per Video stattfinden kann, sondern ganz real.

Carsten Seidel