Besuch des Kunstkurses der Q12 im Haus des „Schlaraffen“ Gentil gleich nebenan
Am 30. September 2019 erhielt der Kunstkurs 1 der Q12 die Möglichkeit einer geführten Begehung des Gentilhauses in der Grünewaldstraße. Was sich hinter den imposanten Mauern des benachbarten Hauses gleich neben unserer Schule befindet, kann man von außen schwer erahnen. Auch warum dieses eigenartig historistisch wie experimentell wirkende Gebäude (zusammen mit dem gegenüber vom selben Bauherren gestalteten ehemaligen Wohnhaus von Anton Gentil) so auffällt neben den um die Gründerzeit entstandenen Villen und unserer Schule, erklärt sich erst, wenn man die Entstehungshintergründe kennt. „Wie aus der Zeit gerissen“, „burgähnlich“, „mittelalterlich anmutend“ – waren unsere ersten Kurseindrücke von der Architektur. „Skurril“, „ungewohnt düster“, „voll und merkwürdig ausgestattet“ erschien es uns Besuchern von innen. Bald wurden wir doch alle ins Staunen versetzt, wohin unser Blick auch fiel – nicht zuletzt durch die interessanten Begebenheiten, die hinter den einzelnen Exponaten, Einrichtungen etc. stehen. In einer sehr kurzweiligen wie spannend (u.a. mit Taschenlampen die engen Treppensteigen erklimmend!) gehaltenen Führung durch die museumspädagogische Fachkraft des Führungswerks Aschaffenburg setzte sich ein Bild über den Namensgeber, Anton Gentil, zusammen. Gentil, seiner Herkunft nach aus einfachen Verhältnissen stammend (Konditor), war in einer beispiellosen steilen Karriere mit seinen Pumpen für Industrie und Handwerk reich geworden und zu einem angesehenen Bürger der Stadt aufgestiegen. Dass er sich den Traum in exponierter Wohnlage am Fuße des Godesbergs mit Blick nach Schönthal erfüllte, kann man gut nachvollziehen, gehörte er doch nun zu den wirtschaftlichen Aufsteigern. Dass er sich dabei auch noch künstlerisch auslebte, seine Häuser selbst entwarf und zum Großteil selbst innen ausgestaltete, ist aber schon außergewöhnlich. Doch damit war es für den kreativen Kopf seiner Zeit nicht getan. Christlich-humanistisch wie er erzogen wurde, hatte er stets das Bedürfnis, auch andere kreativ-schaffende Köpfe an seinem Erfolg und Lebensgenuss teilhaben zu lassen. Somit wurde er einer der aktivsten Förderer, Kunst-Auftragsgeber und Sammler der Stadt Aschaffenburg. Als solcher trat er als einer der sogenannten „Schlaraffen“, jenen „Pflegern von Freundschaft, Kunst und Humor“ auf und genoss sein Leben ganz im Sinne des Satzungsspruchs: „In arte voluptas.“ (In der Kunst liegt der Genuss.) Die Schlaraffen fühl(t)en sich dabei, wie ihre Wortwahl mit vielen mittelalterlichen Begriffen nahelegt, wie Junker oder Ritter, die auf ihrer Heimburg Künstler und interessante Zeitgenossen empfingen, sich mit ihnen austauschten – auch über größere Distanzen und Grenzen hinweg. Dass Gentil seine große Sammlung nicht etwa seiner Familie, sondern der Stadt Aschaffenburg zur Wahrung und Pflege der Kulturgüter und den Blick in jene Zeit des aufstrebenden Bürgertums einer wachsenden, auch mehr industrialisierten, anonymer werdenden Stadt vermachte, zeigt einen modernen, sozialen europäischen Charakter, bei dem wir nur staunen und von ihm lernen können. Ein genauerer Blick in unsere unmittelbare, architektonische Umgebung lohnt sich also. Haben Sie z.B. die Berliner Mauer im angrenzenden Künstlerhof schon entdeckt? – Auch das ist ein Teil des sagenhaften Gentil-Grundstücks und seiner vielen Geschichten.
A. Roßmann (Kursleitung)